Monobrother – Mir geht’s um die Menschen

Als Monobrother 2019 mit seinem letzten Album »Solodarität« unwissentlich den Soundtrack für die Pandemie schrieb, schien die Welt noch in Ordnung. Von den Neos-Hipstern in ihren Wiener Concept Stores bis zu den Grundbuch-Lemmingen am Land: Jeder hat seine Packung Menschenhass abbekommen; verdient natürlich. Vier Jahre und etliche Lockdowns später – in denen sich die Menschheit eindeutig von ihrer besten Seite zeigte und jedes Wochenende das Keyword »Solodarität« auf Österreichfahnen, begleitet vom Auslaufmodell und seinen idiotären Kellerkindern, über den Ring trug – meldet sich der Stuwerboy zurück.

Im Stil eines großen Politikers macht er bereits auf dem Cover klar, dass es ihm »um die Menschen geht«. Die Pandemie wird im ersten Track kurz aufgearbeitet, aber es gibt Wichtigeres in diesem Land – und auch auf diesem Album –, dem man sich zuwenden muss. Andi Goldberger wurde bereits erfolgreich analysiert und was anderes gibt es im Land der Täter – äh, Opfer – nicht. Welch eine spannende Zeit es ist, in der sich die Bros weiterhin als das Ein und Alles dieser Gesellschaft sehen dürfen, ob am Damenklo im Wettbüro, auf FS3 oder am Weingut. Dabei geht es Monobrother um eine allgemeine Anklage und es wird auf alles und jeden geschossen. Beinahe ohne konkrete Namen zu nennen, werden die hauptsächlich männlichen Protagonisten auf 36 Minuten vorgeführt. Dabei ist es egal, ob blauer Ex-Innenminister oder namenloser Sozialdemokrat: Die Musik gewordenen Deix-Figuren treiben einem das Grauen in die Gehörgänge. Je mehr man sich dem neuen Werk von Monobrother zuwendet, desto mehr hat man das Gefühl, in einem Film von Sicheritz, Seidl oder Haneke zu sein. Dass dieser Film den Titel »Realität« trägt und es aus ihm kein Entkommen gibt, merkt man erst bei der Autofahrt durch den »Kreisverkehr« im schönen Niederösterreich auf dem Weg zur letzten »Wurstplatte«.

Musikalisch ist das Album vielleicht der am weitesten vom Boombap entfernte Release vom Bruder. Dabei vergisst er aber nicht auf seine Wurzeln und referenziert auf alte Klassiker wie z. B. die genialen Huss & Hoden. Produktionstechnisch unterstützt von Fid Mella, Stixx, B.Visible, Digga Mindz und Kapazunda, gibt es keine Überraschungen. Das einzige Feature findet sich auf »Bibi und Mo«: Hier schafft es die geniale Rebecca von Rolltreppe, Monobrother das Wasser zu reichen, und bereichert als »Tatort«-Inspektorin die »Realität«, auf die sich alle in diesem Land einigen können. Gefühlt ist es auch der einzige Track, bei dem man nicht den Wunsch hat, die Heimat dieser lieben und tüchtigen Leute verlassen zu wollen, sondern sich wie jeden Sonntag im Wohnzimmer vor dem Telefunken einzufinden. Gesamt gesehen bleibt sich Monobrother treu und sein Weg führt stringent in Richtung HipHop-Olymp. Dass er dort neben dem Göttervater und nicht z’haus seinen Platz hat, ist nicht erst seit diesem Album allen bewusst; zumindest denen, die nicht »majorlabelfinanzierte und kulturzerwalzende Autodrommusik« bevorzugen. Auf dass die Gösserbäuche, TV-Philosophen und Bierwirte weniger werden, der »Februar« schnell vorbei ist und die alten weißen Bros die Rechnung serviert bekommen, bevor der neue Schutzbrief im Postkastl liegt.